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Ich, Tamara Lunger

Die Extrembergsteigerin weiß, was sie Stück für Stück dankbarer macht und zufrieden sein lässt. Und wie ist es mit dir?

Ganz Südtirol hat bei ihrer großen Expedition zum Nanga Parbat 2015 mitgefiebert. Eine Winterbesteigung war das Ziel. Erneut hätte Tamara Lunger einen Rekord gebrochen. Sie wollte den gewaltigen Riesen des Himalayas, in den der höchste Berg Europas, der Mont Blanc, 40 Mal hineinpasst, bezwingen.

Der Aufwand für Expeditionen ins Reich der Achttausender ist gigantisch: 50 Stunden Anreise, 60 Tage vergehen zwischen Akklimatisierung, Aufstieg in die verschiedenen Basislager, Warten auf günstiges Wetter, Leben auf engstem Raum in Zelten, Eintönigkeit, Kälte, Absturzgefahr beim Gang auf die Freilufttoilette. Doch gleichzeitig ist es auch ein Eintauchen in eine andere Welt, frei von Alltagszwängen; sich selbst näherkommen als kaum sonst wo – und seinen Frieden finden.

Wenn Aufgeben belohnt wird

Dann kommt DER Tag. Wenige Höhenmeter trennen das Basislager vier vom Gipfel. Tamara bricht nach den Expeditionskollegen auf – hinein in die Dunkelheit. Es hat 34 Grad minus, der Wind pfeift ihr mit 45 Kilometern pro Stunde um die Ohren und sie merkt: Heute ist nicht mein Tag. Die sonst so Kräftige fühlt sich nicht gut, jeder Schritt fällt noch schwerer als sonst in dieser Höhe. Sie erbricht – immer wieder. Doch sie macht weiter, betet, dass die ersten Sonnenstrahlen rauskommen. Sie bleibt immer öfter stehen, um Kraft für den nächsten Schritt zu sammeln; bis sie plötzlich, laut und deutlich, eine innere Stimme hört, die zu ihr sagt: „Wenn Du jetzt weitergehst, kommst Du nie mehr zurück“. 

Sie steht 70 Meter vor dem Ziel. Dabei ist ihr klar: Sie würde die drei Männer ihrer Seilschaft in Gefahr bringen. In diesen Höhen, bei diesen Bedingungen, kann einem niemand mehr helfen. Sie kehrt um. Der Abstieg ist steil und gefährlich, jeder Fehltritt unverzeihlich. Sie springt über eine Gletscherspalte, rutscht aus. Es geht rasant nach unten. „Das ist das Ende“, denkt sie sich, bevor sie durch einen Schneehaufen gebremst wird, der ihr das Leben rettet.

Später abends im Zelt, nachdem sie den anderen zur Gipfelbesteigung gratuliert hat, kommen die Enttäuschung und die Traurigkeit hoch. Normal. Doch dann, unerwartet, wandeln sich diese Gefühle in Dankbarkeit um. Sie ist dankbar dafür, sich auf die innere Stimme verlassen zu können. Zufriedenheit steigt auf, die Bergkollegen nicht in Gefahr gebracht zu haben. Und schlussendlich freut sie sich mit ihren Teamkollegen über deren Erfolg.

 

Sich selbst treu bleiben

Es ist angenehm warm, als ich Tamara in der Nähe ihres Heimatdorfes Gummer im Eggental treffe. Wir setzen uns auf die Schaukeln eines Spielplatzes, umgeben von einem fantastischen Bergpanorama. Hier, inmitten der Dolomiten, wo sie aufgewachsen ist. Ich kenne Tamara schon lange und bin immer wieder von der Fröhlichkeit und Stärke fasziniert, die sie ausstrahlt. Jedes Mal wenn ich sie treffe, bringt sie mich dazu, über mein Leben nachzudenken und zu überprüfen, ob ich tatsächlich tue, was mir entspricht und mich glücklich macht.

 

Schlüsselbegegnungen

Mit 18 lernt Tamara auf ihrem Maturaball einen der besten Bergsteiger Italiens kennen: den Alpinisten und Schriftsteller Simone Moro aus Bergamo. Er ist es, der sie auf die höchsten Berge der Welt mitnahm. Konstitution und Kondition passten zusammen. Es galt noch herauszufinden, ob Tamara höhentauglich war. Bald stand fest: Sie war es. Und heute ist sie süchtig danach.

Kraft aus dem Scheitern schöpfen

Beide empfinden ihre Abenteuer als Privileg, das Scheitern als Möglichkeit, etwas über sich selbst zu erfahren und als Vorbereitung, um zum Erfolg zu gelangen. Beide sprechen von einer Beziehung zum Berg, von einer Seele, mit der man als Bergsteiger in Beziehung tritt, vom Moment, in dem man sich in den Berg verliebt und anschließend an nichts Anderes mehr denken kann. Nach der ersten Expedition mit Moro war für Tamara klar: „Dieses Leben ist viel intensiver. Selbst wenn es einmal dann vorbei sein sollte, kann ich mir nichts vorwerfen. Ich habe jeden Tag so gelebt, wie ich es wollte. “ Ein Satz der provoziert oder inspiriert, je nachdem. Wie auch immer: Wie viele Menschen können das von sich behaupten?

Kompromisslos und einfach

Tamara Lunger gehörte zur Weltspitze im Skitourenrennen, merkte dann aber am Himalaya, dass Bergsteigen ihr Lebensinhalt ist. Es geht ihr nicht um Rekorde und Vergleiche. Die sind ein angenehmer Nebeneffekt und ermöglichen, besser von dieser Leidenschaft leben zu können. Sie ziehen Sponsoren an. Die jahrelange intensive Beanspruchung des Körpers hinterlässt aber ihre Spuren. Immer wieder zwingen sie anhaltende Knieschmerzen zu Zwangspausen. Jedoch hat Tamara keine Zweifel, dass sie immer wieder Herausforderungen findet, die zu ihr passen. Und mit dem Hubschrauber-Pilotenschein in der Tasche, liebäugelt sie damit, irgendwann mal Rettungspilotin in den geliebten Himalaya-Bergen zu werden. Noch trennen sie viele Flugstunden von diesem Traum.

Dankbarer und zufriedener als zuvor

"Die Sonne geht langsam hinter den Bergen unter und ich verabschiede mich von Tamara. Auf der Rückfahrt kreisen die Worte ihrer inneren Stimme immer wieder in meinem Kopf herum: „Wenn Du jetzt weitergehst, kommst Du nie mehr zurück“. Ein paar Meter haben darüber entschieden, Alpingeschichte zu schreiben oder nicht. Erinnert oder vergessen zu werden.

Eines bin ich mir nach dem Treffen sicher: Trotz des Umdrehens ist sie eine Gewinnerin – dankbarer und zufriedener als zuvor.

„Ich möchte lieber einen Achttausender auf einem anderen Weg erreichen, vielleicht auch im Winter, wenn weniger Leute unterwegs sind – oder ansonsten einen ruhigeren Fünf- oder Sechstausender besteigen“, formuliert sie ihre nächsten Ziele."

Text: Barbara Prugger
Fotos: Ivo Corrà / Archiv Tamara Lunger
Video: Miramonte Film und Andreas Pichler
Jahr der Veröffentlichung: 2017 - Was uns bewegt
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